Umgedrehter Klassenraum
Ist das jetzt neues Lernen?
Für die Hausaufgaben sind Lernvideos total praktisch. Aber kann man mit ihnen wirklich gut lernen? SCROLLER im Gespräch mit Sebastian Schmidt, Lehrer in Pfuhl, und MrWissen2go, Mirko Drotschmann.
Fragen
Sebastian: Grob gesagt: Beim „umgedrehten Klassenraum“ wird das, was normalerweise im Unterricht passiert, als Hausaufgabe erledigt. Im Unterricht ist dann Zeit für das, was oft Schwierigkeiten bereitet: die Übung und die Vertiefung ins Thema. Für die Vorbereitung auf den Unterricht produziere ich selbst Erklärvideos und zeige sie auf YouTube.
Mirko: Digitale Medien haben beim Lernen eine große Bedeutung, weil sie eine bequeme Form des Lernens sind. Man kann sich zurücklehnen, Popcorn essen und sich dabei informieren. Ich gehöre zu denjenigen, die audiovisuell lernen. Ich schaue mir gern Lernvideos an und gucke dann noch einmal ins Buch. Viele YouTuber greifen außerdem Themen auf, für die sie sich begeistern. Das merken die Zuschauer und die Begeisterung steckt an.
Sebastian: Zu Beginn waren Lernvideos und der veränderte Unterricht für mich komplettes Neuland und ich habe viele Fehler gemacht. Außerdem gehörte viel Überzeugungsarbeit im Kollegium, bei der Schulleitung, den Eltern und natürlich den Schülerinnen und Schülern selbst dazu. Meine erste Klasse war skeptisch, was diese Art des Unterrichtens betrifft. Ich musste ihnen eine vierwöchige Probezeit versprechen. Am Ende wollte aber keiner mehr zum alten Unterricht zurück.
Mirko: Dass jeder online Dinge veröffentlichen kann, ist erst einmal eine große Chance. Aber auf der anderen Seite ist es auch ein großes Risiko. Denn theoretisch kann auch jeder Unwahrheiten und Falschmeldungen verbreiten. Aus meiner Sicht sind auch die YouTube-Nutzerinnen und -Nutzer selbst in der Pflicht, sich zu informieren, wenn sie Videos schauen. Von wem kommt die Information? Sind das verlässliche Angaben, die ich auch woanders finde? Hat der Kanal ein Impressum? Das sind sehr wichtige Fragen.
Sebastian: Digitale Medien werden den Unterricht und die Schule verändern. Aber nicht mit ein paar Klicks oder so, dass alle nur noch vor ihren Geräten sitzen. Wer eine Klasse von heute begeistern möchte, braucht mehr als ein Whiteboard. Die Schülerinnen und Schüler sollten selbst zu Produzierenden werden und lernen, sich mit digitalen Medien auseinanderzusetzen, um an der heutigen Welt teilzunehmen. Wir Lehrkräfte werden dann eher zu unterstützenden Lernbegleiterinnen und Lernbegleitern.
Mirko: YouTube mit Unterricht zu vergleichen ist, wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Ich vergleiche YouTube eher mit Nachhilfe. Es ist eine Ergänzung zum Unterricht für diejenigen, die noch einmal etwas wiederholen wollen, was sie vielleicht nicht ganz verstanden haben. Ich glaube aber nicht, dass Videos die Schule ersetzen. Man braucht Lehrkräfte, die für die Fragen der Schülerinnen und Schüler da sind und deren Leistung beurteilen.
Neues Lernen?
Heute lernen viele Kinder und Erwachsene mit Lernvideos oder Apps. Diese erklären den Lernstoff in knapper Form und veranschaulichen ihn mit Bildern und Ton. Man liest also nicht nur Texte wie in einem Buch, sondern lernt „audiovisuell“ (audio = hörbar, visuell = sehend). So versteht man den Inhalt leichter und kann sich auch besser daran erinnern.